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Billig und mehr
Von der belächelten grauen Maus zum etablierten Automobilhersteller: Dacia hat in den letzten zwölf Jahren eine beachtliche Wandlung hingelegt. Ein Grund ist das schnelle Erkennen und ein schnelles Reagieren auf neue Trends.

Billig und mehr

Der Dacia Sandero und derSandero Stepway bekommen ein Facelift (Foto: press-inform / Dacia)

Von der belächelten grauen Maus zum etablierten Automobilhersteller: Dacia hat in den letzten zwölf Jahren eine beachtliche Wandlung hingelegt. Ein Grund ist das schnelle Erkennen und ein schnelles Reagieren auf neue Trends.

Auf dem Pariser Autosalon vor ein paar Wochen spielte Dacia kaum mehr als eine Nebenrolle. Während sich die Besucher ein paar Meter weiter am Renault-Messestand um die schicke Sportwagenstudie des TreZor drängten und über die Reichweiten-Verlängerung des Zoe diskutierten, standen die Modelle der rumänischen Tochter weitgehend unbeteiligt herum. Auf den ersten Blick ist die Modellüberarbeitung des Sandero, Sandero Stepway, Logan MCV und Logan kaum der Rede wert: ein bisschen Duster-Wabenkühlergrill da, eine Prise LED-Tagfahrlicht hier, dazu noch etwas aufgepeppte Innenräume und ein etwas verändertes Heck. Technisch tut sich dagegen einiges. Der Renault-Dreizylinder mit einem Liter Hubraum und 55 kW / 75 PS ist erstmals für diese Modelle erhältlich und der 81 kW / 110 PS-Dieselmotor kann jetzt mit einem ebenso praktischen wie effizienten Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe kombiniert werden. Optional ist ab sofort eine Rückfahrkamera erhältlich. Das klingt nach einem ziemlich erwachsenen Auto und hat nichts mehr mit den Anfangszeiten gemein, als die Modelle der rumänischen Renault-Tochter lediglich das Grundbedürfnis nach Mobilität erfüllten.

In 44 Märkten aktiv

Mittlerweile ist Dacia in 44 Märkten aktiv und hier zumeist überaus erfolgreich. Im vergangenen Jahr haben sich 571.000 Autokäufer in aller Welt für die Budgetautos entschieden. Das macht fast die Hälfte der gesamten Renault-Umsätze aus. Als Renault seinen Billigableger Dacia im Jahr 2004 mit der grobschlächtigen Logan-Limousine installierte und ein Jahr später nach Deutschland brachte, bebten quer durch Deutschland die Eichenschreibtische der Vorstände. Viele der Automobilmanager zwischen Stuttgart und Wolfsburg hielten sich die Bäuche vor Lachen. "Was für eine Schnapsidee ist den Franzosen denn da in den Sinn gekommen?", lautete die unter Prusten gestellte Frage. Der Dacia Logan, eine alles andere als komfortable Stufenheck-Limousine aus Rumänien hatte mit dem teutonischen Begriff von Mobilität wenig gemeinsam. Kein ESP, kein Luxus, dröges Hartplastik-Interieur - also zweckmäßige Mobilität für den unschlagbaren Kampfreis von 7.500 Euro. "Automobile Verzichtserklärung" war noch einer der höflichsten Umschreibungen für das neue Vehikel, das um die Gunst der Käufer buhlte.


Mittlerweile lacht niemand mehr. Das Dacia-Konzept als Billigableger von Renault ist aufgegangen. Schon 2007 verkaufte Dacia weltweit bereits 367.264 Autos. Das französisch-rumänische Erfolgsmodell machte Schule; doch der Erfolg lässt sich nicht so einfach reproduzieren. Das musste Volkswagen bitter am eigenen Leib erfahren, als das Vorhaben zusammen mit Suzuki ein Billigauto zu produzieren grandios scheiterte. Selbst die Meldung, dass ein Einstiegsmodell des Duster (ohne ESP) durch den Elchtest gefallen war, bremste im technikverliebten Deutschland das Begehren nach den günstigen Vehikeln nicht. Seit dem Start der Marke haben die Dacia-Händler hierzulande rund 454.000 Autoschlüssel übergeben. In den ersten acht Monaten dieses Jahres entschieden sich 34.442 Deutsche für ein Fahrzeug der Renault-Tochter. Das entspricht einem Marktanteil von rund eineinhalb Prozent - ein Wert, von dem andere Importeure hierzulande nur träumen können. Und das, obschon große Neuigkeiten seit Jahren fehlen.

Keine monokausale Erklärung

Wer den Dacia-Erfolg nur mit günstigen Produktionskosten in Rumänien und im nordamerikanischen Tanger sowie den Skaleneffekten begründet, greift zu kurz. Bei Dacia gibt es keine große Rabattschlacht, die ohnehin schon günstigen Preise sind kaum mehr verhandelbar. Die Renault-Tochter verdient mit jedem Auto Geld und ein günstiger Preis bedeutet keineswegs zwangsweise schlechte Qualität. Eine große Stärke der rumänischen Renault-Tochter ist das Erkennen von Trends. War zu Beginn der Dacia-Ägide noch Geiz geil, hat sich die Mobilität mittlerweile verändert. Die Kunden wollen ein vollwertiges Auto und investieren dafür auch in Extras. Der unschlagbare Einstiegspreis wird nur selten gezogen. Angesichts dessen erscheint auch die Preisanpassung in Jahren 2010 und 2012 in einem anderen Licht. Im Gegensatz zu den sonstigen Gepflogenheiten der Branche, bei der dieser Terminus eine sanfte Erhöhung der Preise bedeutet, senkte die Renault Tochter die Preise bei den Modellen Sandero und dem SUV Duster deutlich um bisweilen zweistelligen Prozentraten. Die damalige Begründung, dass man durch die hohen Verkaufszahlen günstiger produzieren könne und dies an die Kunden weitergeben wolle, war dabei nur die halbe Wahrheit. Letztendlich ging es darum die Marktposition zu festigen. Dafür opfern die Dacia Manager auch heilige Kühe: Den Dacia Logan gibt es in Deutschland nur noch als Kombi.

Auch ein Sechsgang Doppelkupplungsgetriebe ist jetzt erhältlich - in Kombination mit dem 81 kW / 110 PS-Dieselmotor (Foto: press-inform / Dacia)
Bei Dacia hält der Renault Dreizylinder Motor Einzug (Foto: press-inform / Dacia)
Renault Kwid (Foto: Renault)
(Foto: Viehmann)
(Foto: press-inform / Dacia)
(Foto: press-inform / Dacia)

Nachdem es in den vergangenen Jahren um neue Dacia-Modelle weitgehend ruhig blieb, soll sich dies 2017 ändern. Im Fokus steht dabei der Duster, der einzige Billig-SUV auf dem deutschen Markt. Er wird neu aufgelegt und soll dann wahlweise mit fünf oder sieben Sitzplätzen angeboten werden. Die Hartplastikwüste, Komfortausstattungen und Fahrerassistenzsysteme bleiben weitgehend außen vor. Hier will Dacia seiner Linie treu bleiben. Kurz war diskutiert worden, auch den kleinen Billig-SUV Renault Kwid, der in Indien ein begehrtes Modell zur Massenmobilisierung geworden ist, unter dem Dacia-Label auf den Markt zu bringen. Der winzige Kwid hatte sich in 2015 für Renault innerhalb weniger Monate zum Bestseller auf dem Subkontinent gemausert. In den ersten beiden Monaten wurden 72.000 Kleinst-SUV verkauft - zu Preisen von weniger als 4.000 Euro. In Indien stiegen die Renault-Verkäufe im ersten Quartal um fast 200 Prozent. Hauptgrund: der Kwid mit fast 30.000 Zulassungen in den Monaten Januar bis März 2016. Für weitere 120.000 Fahrzeuge dieses Modells liegen Bestellungen vor. Mittlerweile wird der Kwid auch in Südamerika angeboten. "Von der neuen Produktplanung erwarten wir, uns einen großen Anteil am schnell wachsenden SUV-Markt in Brasilien zu sichern", erklärte Konzernchef Carlos Ghosn. "Die Ausweitung unserer SUV-Fertigung in Brasilien bestätigt das große Vertrauen, das wir in diesen Markt haben", so Ghosn weiter. Mit dem Bestseller Duster verkauft Renault in dem Land bereits ein erfolgreiches SUV-Modell.


"Wir können pro Woche 2.000 Fahrzeuge produzieren", sagt Renault-Chefdesigner Laurens van den Acker, "ein gigantischer Erfolg." Das wird man insbesondere in Wolfsburg nicht gerne hören, denn die Norddeutschen versuchten mit dem ehemaligen Opel-Topmanager Hans Demant jahrelang ein Billigmodell für Schwellerländer wie Indien auf zu entwickeln - bisher ohne Erfolg. Der Einsteiger-Renault erinnert mit seinen 18 Zentimetern Bodenfreiheit und leicht ausgestellten Kotflügeln etwas an einen geschrumpften Dacia Duster. Das 3,68 Meter lange und gerade einmal 1,58 Meter breite Mikromodell konkurriert auf dem asiatischen Subkontinent mit Modellen wie dem Suzuki Alto oder dem Hyundai Ion. Angetrieben wird der Renault Kwid von einem Dreizylinder-Triebwerk, der mit seinen 800 Kubikzentimetern 54 PS und ein maximales Drehmoment von 72 Nm bei 4.400 U/min leistet. Dank 2,42 Metern Radstand finden in dem Inder fünf Personen Platz. Im turbulenten indischen Straßenverkehr sind es jedoch mitunter ein paar mehr.

(Foto: press-inform / Dacia)
(Foto: press-inform / Dacia)
(Foto: press-inform / Dacia)
(Foto: press-inform / Dacia)
(Foto: Marcel Sommer)
(Foto: press-inform / Dacia)

"Renault setzt mit dem Kwid die Strategie erschwinglicher Mobilität für einen möglichst breiten Kundenkreis fort", erklärt Carlos Ghosn, Vorstandsvorsitzender der Renault Gruppe, "indem er auf einer neuen Plattform der Renault-Nissan Allianz aufbaut, bietet der Kwid für Renault die Möglichkeit, sein internationales Wachstum fortzusetzen und gleichzeitig dem Bedürfnis der Kunden gerecht zu werden, die ein modern gezeichnetes, robustes und uneingeschränkt alltagstaugliches Fahrzeug wünschen." Für viele indische Kunden ist der Kwid nicht nur das einzige, sondern auch das erste Auto in der Familie. Die tägliche Fortbewegung in Indien läuft in erster Linie über Motorräder, Fahrräder und den öffentlichen Nahverkehr. Alles andere ist zu teuer.

"In Indien kommen auf 1.000 Einwohner aktuell gerade einmal 14 Autos", erklärt Renault-Chefdesigner Laurens von den Acker, "daher muss ein Auto wirklich billig sein. Doch ein billiges Auto darf nicht arm aussehen. Sonst hat es keinen Erfolg." Daher gibt es trotz aller Einsparungen nicht nur ein ansehnliches Design, sondern auch Details wie Kopfstützen auf allen Sitzplätzen, elektrische Fensterheber, Funkfernbedienung und einen Touch Screen für Radio und Navigationssystem. Das weitgehend nackte Basismodell des Renault Kwid Standard kostet kaum mehr als 250.000 Rupien; umgerechnet weniger als 3.500 Euro. Der zweite Kleinwagen von Renault mit Namen Pulse liegt bei mindestens dem Doppelten und ein Renault Duster startet in Indien bei 820.000 Rupien - umgerechnet über 11.000 Euro und somit sogar mehr als in Europa, wo es unter dem Dacia-Label bei knapp über 10.000 Euro losgeht. Was für das Designteam rund um Laurens van den Acker schwer war, wurde für die Entwicklungsabteilung zur Herkulesaufgabe, denn die anfängliche Überlegung, Teile aus dem Dacia-Regal für den Renault Kwid kostengünstig wiederzuverwerten wurde schneller als erwartet abgestellt. Die Teile von Modellen wie Duster, Sandero und Lodgy waren schlicht zu teuer für ein Billigstmodell. 98 Prozent des Kwid werden lokal in Indien produziert; 60 Prozent im Großraum Chennai. Während die Verhandlungen mit den Zulieferern normal rund drei Monate in Anspruch nehmen, wurde vor dem Marktstart eineinhalb Jahre verhandelt. Das Produktionswerk von Renault-Nissan kann mit seinen verschiedenen Modellen bis zu 480.000 Konzernmodelle pro Jahr fertigen. Und vielleicht kommt mittelfristig doch einmal ein indisches Massenmodell mit dem Dacia-Stempel nach Europa.

Autor: Wolfgang Gomoll / Stefan Grundhoff, München  Stand: 22.11.2016
Fotos: press-inform / Dacia