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Der Million-Dollar-Elfer
Einen Porsche 911 der 1970er bewegen zu dürfen, ist an sich Erlebnis genug. Wenn es sich dann noch um einen der seltenen Porsche 911 RS 2.7 Coupé handelt, kennt das Glücksgefühl kaum ernsthafte Grenzen.

Der Million-Dollar-Elfer

Das Porsche 911 RS 2.7 Coupé ist teuer und selten (Foto: press-inform / Porsche)

Einen Porsche 911 der 1970er bewegen zu dürfen, ist an sich Erlebnis genug. Wenn es sich dann noch um einen der seltenen Porsche 911 RS 2.7 Coupé handelt, kennt das Glücksgefühl kaum ernsthafte Grenzen.

Der Traum ist gelb, fast schon zitronengelb. Das ist neben dem auffälligen Entenbürzel auf dem Heck auch schon das Einzige, was an dem 911er sofort ins Auge fällt. Details, wie der Carrera-Schriftzug auf der Flanke, die 15-Zoll-Felgen, die charakteristische Frontschürze und die ausgestellten hinteren Kotflügel verraten, dass es sich hier um eine automobile Preziose der ganz besonderen Art handelt - dem Porsche 911 RS 2.7 Coupé. Ursprünglich waren 500 Exemplare als Homologations-Serie für den Rennsport geplant. Letztendlich verließen 1.308 Modelle dieses Über-911ers der 1970er Jahre das Werk in Zuffenhausen; nur ein Bruchteil davon ist noch zu haben. Auf dem internationalen Markt gibt es drei- bis viermal so viele RS-Modelle - alles keine echten. Wer ein gut erhaltenes Exemplar sucht, sollte sich mit mindestens 750.000 Euro in der Tasche auf den Weg machen. Besser eine Million. Bloß nichts falsch machen.

Das Zentrum des Porsche-Universums

Zugegeben, diese Gedanken schwirren einem durch den Kopf, wenn man sich hinter das bratpfannengroße Lenkrad schwingt. Schließlich bewegt man nicht jeden Tag ein Auto im Wert eines Einfamilienhauses. Doch solche spaßbremsenden Überlegungen verschwinden, sobald man sich in die Sportsitze hineingleiten lässt. Augenblicklich nimmt einen die Porsche Welt gefangen: Auf den fünf Rundinstrumenten spielt sich das Zuffenhausener Universum ab, das war damals so und wird beim 911er auch immer so bleiben. Im Zentrum steht das Entscheidende: der Drehzahlmesser.


Mit einem Dreh am Zündschlüssel, links, versteht sich, erwachen die sechs Töpfe im Heck des Vehikels zum Leben. Heißer röchelnd, wild sprotzelnd, ungehemmt und frei hochjubelnd, sich selbst zelebrierend ohne irgendwelche Beschränkungen. Die waren damals - 1972 - noch weit weg. Mit jeder Bewegung des Gasfußes erwacht der Zeiger des Drehzahlmessers zum Leben, wild zuckend, wie eine giftige Kobra, die auf ihr Opfer zuschnellt. Erst jenseits der 7.000er-Marke, signalisiert ein schmaler roter Bereich das Ende des Umdrehungsfestivals. Intuitiv wandert der Griff zum Ganghebel. Knack, spürbar rastet der erste Gang ein. Die Sportgene des RS sind deutlich fühlbar, das gilt auch für die Kupplung, die es mit einem einen sehr exakten Druckpunkt dem Fahrer leicht macht. Schon nach wenigen Metern ist klar: Der Kult um dieses Auto, der in astronomischen Preisen kulminiert, ist berechtigt.

Feuer frei

Auch nach vierzig Jahren fühlt sich dieser 911er porschiger an, als so manches aufgepumpte Vierzylinder-Vehikel unserer Tage. Unglaublich, wie präzise diese Rennmaschine mit Straßenzulassung mit dem coupierten Asphalt spielt. Die Stahlfedern vernichten jegliche kinetische Energie, die der Untergrund gegen die Karosserie wirft. Die Lenkung ist die Verlängerung des Handgelenks. Der Pilot gibt die Richtung vor, der 1.075 Kilogramm schwere Bolide folgt mit der Selbstverständlichkeit eines Sportlers, dessen Athletik nur dem einen Zweck dient, eine Strecke möglichst schnell zu überwinden. Egal, wie viele Kurven oder Hügel den Weg zum Ziel erschweren. Hinten sägt, kreischt der Boxermotor metallisch, dass einem das Blut in den Adern gefriert, und fordert den Fahrer mit jeder Umdrehung der Kurbelwelle: "Tritt mich, jage mich, hol alles aus mir raus!"

Nur 1.308 Modelle wurden gebaut (Foto: press-inform / Porsche)
Herrlich: Boxer-Motor mit 210 PS (Foto: press-inform / Porsche)
Der Entenbürzel sorgt für Anpressdruck (Foto: press-inform / Porsche)
(Foto: press-inform / Porsche)
(Foto: press-inform / Porsche)
(Foto: press-inform / Porsche)

Wer sich nicht der Dominanz der 210-PS-Maschine unterwirft, stiehlt dem Porsche RS 2.7 seine Lebenslust. Die spielt sich nur im Hochdrehzahlbereich ab, unter 4.500 Touren geht nicht viel. Umso mehr im 2.800-U/min-Drehzahlband bis zum roten Bereich. Garniert wird der puristische Tanz der mechanischen Urgewalten mit dem exakt zu führenden Fünfgang-Getriebe. Die endorphine-lösende Erfolgsformel wiederholt sich hunderte Male. Anbremsen, auskuppeln, jubelndes Zwischengas, einkuppeln, Scheitel anvisieren, draufhalten und Feuer frei. Der knapp 45 Jahre alte 911er ist eine Granate, die heute noch viele Sportwagen alt aussehen lässt. Jetzt versteht man auch, warum die Seitenspiegel so winzig sind. Mit diesem Porsche kam eh kein Fahrzeug mit. Übrigens: Das Flehen des Fahrers nach einer Zeitmaschine, um ins Jahr 1973 zu reisen und sich einen dieser Wunderwerke für knapp 34.000 D-Mark zu holen, wurde nicht erhört. Doch ein Traum wurde wahr: einmal einen echten Porsche 911 RS 2.7 zu bewegen.

Autor: Wolfgang Gomoll, Sizilien  Stand: 23.07.2016
Fotos: press-inform / Porsche  

(Foto: press-inform / Porsche)
(Foto: press-inform / Porsche)
(Foto: press-inform / Porsche)
(Foto: press-inform / Porsche)
(Foto: press-inform / Porsche)
(Foto: press-inform / Porsche)