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Ein Winter mit dem A8
Vor zehn Jahren gefeiert, gab es für das Audi-Design zuletzt kaum mehr als Häme. Doch mit dem drögen Einerlei rund um einen endlosen Single Frame Kühlergrill soll es bald vorbei sein. Mit dem neuen Chefdesigner Marc Lichte wollen die Ingolstädter ein Feuerwerk abbrennen, das die Konkurrenz blass werden lässt.

Ein Winter mit dem A8

Audi Prologue Studie auf der Los Angeles Autoshow (Foto: press-inform / Audi)

Vor zehn Jahren gefeiert, gab es für das Audi-Design zuletzt kaum mehr als Häme. Doch mit dem drögen Einerlei rund um einen endlosen Single Frame Kühlergrill soll es bald vorbei sein. Mit dem neuen Chefdesigner Marc Lichte wollen die Ingolstädter ein Feuerwerk abbrennen, das die Konkurrenz blass werden lässt.

Marc Lichte ist keiner, der sich vor seine neueste Kreation kniet und einem minutenlang monoton von konvexen Formen, feinen Sicken und krispen Linien vor-schwadroniert. Er spricht klar, ohne Schnörkel oder wilde Designer-Orakel. Lichte weiß wovon er redet, denn jahrelang hat er den erfolgreichen Volkswagen-Modellen ihre Gesichter gegeben. "Doch ich wollte schon immer zu Audi", erzählt er um Offenheit bemüht, "bisher hatte es einfach nicht gepasst. Doch jetzt war es eben soweit. Spannend." Hinter ihm liegen arbeitsreiche Monate, denn bereits vor seinem offiziellen Dienstantritt in Ingolstadt wusste der Mann mit dem blonden Lockenschopf und der Studentenbrille von seiner Aufgabe, die schwerer kaum sein konnte.

Vollgas-Start

Gesandt von höchster Konzernstelle, sollte er das Audi-Design wieder in die erste Reihe fahren. Nicht die gefühlt 34. Messestudie ohne Serienbezug und kein fahrbarer Single-Frame-Kühlergrill, sondern ein Auto, von dem vieles für die Marke abhängt, stand bei Audi an: der neue A8; ein paar Monate überfällig und in den vergangenen Jahren besonders kritisch betrachtet. Ein exzellentes Auto, jedoch ohne den Hauch einer Chance gegen die beiden übermächtigen Konkurrenzmodelle Mercedes S-Klasse und BMW 7er. Und von dem Titel des edelsten Innenraums kann sich in der Liga der Besten keiner etwas kaufen. Der einstige Vorzeigehersteller wurde in den vergangenen Jahren links und rechts überholt. Der Slogan "Vorsprung durch Technik" wurde zur Lachnummer, weil sich die Ingolstädter zuerst von BMW und dann von Mercedes die Butter von der Fahrbahn kratzen ließen. Zudem begehrten die Konzernschwestern Volkswagen und Porsche gegen die einst hübscheste aller Konzernbräute auf. Der Porsche Macan stellte den Audi Q5 bloß und zuletzt zeigte der neue VW Passat, dass Premium selbst im Konzerngefüge nicht allein aus Ingolstadt kommen darf. Weil es lichterloh brannte, wurde Ulrich Hackenberg als Feuerwehrmann an die Donau geschickt. Folge: der Luxus-SUV Q7 wurde mehrere Monate nach hinten geschoben - auch weil er ein anderes Frontdesign bekam, als eigentlich alles schon abgenickt war. Noch schlimmer: Audis Mittelklasse-Volumenmodell A4 wurde fast ein Jahr nach hinten geschoben. Verzögerungen, die Audi und somit auch den Volkswagen-Konzern hohe zweistellige Millionenbeträge kosten.


Lichte, seit Jahren mit guten Kontakten zum neuen, heimlichen Audi-Chef Ulrich Hackenberg, durfte sich noch in den letzten Monaten seiner Wolfsburgers Schaffenszeit mit dem neuen Audi A8 beschäftigen. Drei intensive Monate im Winter, denn es hieß schnell sein. Das Luxusmodell war überfällig, Audi- wie Volkswagen-Verantwortliche wollten eine Entscheidung treffen und Marc Lichte wusste, dass der erste Schuss sitzen musste. Ein Einstieg in den neuen Job als Audi-Chefdesigner und ein abgewählter A8 aus eigener Feder - alles andere als einfach. So war der Druck groß, als Lichte kürzer als kurz nach seinem offiziellen Dienstantritt im Februar in die grau-weiße Mehrzweckhalle nahe der Autobahn A9 fuhr, wo im Hause Audi derzeit die wichtigsten Entscheidungen getroffen werden. Vorbei am Wachschutz und vorbei an meterhohen Mauern, wurde es einer der wichtigsten Tage in Lichtes Konzernkarriere. Auf lieblos grauen Teppich und vor fahlweißen Wänden stach er vier Konkurrenzvorschläge aus anderen Volkswagen-Designcentern aus. "Man hat sich direkt von meinen A8-Vorschlag entschieden", sagt der Mittvierziger heute nüchtern, doch man kann sich vorstellen, wie er innerlich mit der geballten Faust in der Tasche gejubelt haben mag.

Luxuscoupé als Appetithappen

Seither geht es bei Marc Lichte wie das Brezelbacken. Zusammen mit seinem Team kreiert er mit Hochdruck einen Audi nach dem anderen "Wir haben gerade A6 und A7 verabschiedet", erzählt der Familienvater, "vier Monate früher als geplant. Zudem arbeite ich an weiteren Modellen wie A1 oder Q3." Während zuerst die Serienmodelle in Szene gesetzt wurden, sollte als Konterpart zur gigantisch gestarteten Mercedes S-Klasse und dem Mitte nächsten Jahres vorgestellten neuen 7er BMW ein Image-Ausrufezeichen sein, das die alten Designzöpfe bei Audi erfolgreich abgeschnitten wurden. So kreierte Marc Lichte ein Luxuscoupé, das als Synonym für den Aufbruch in eine neue Designzeit gelten soll. Zum ersten zu bestaunen: auf der Los Angeles Autoshow ab Mitte kommender Woche.

Audi Prologue Studie auf der Los Angeles Autoshow (Foto: press-inform / Audi)
Audi-Chefdesigner Marc Lichte (Foto: press-inform)
 

Im Vergleich zum aktuellen Audi A8 ist das Showcar bei gleicher Breite vier Zentimeter kürzer. Ein Hingucker, der mit klassischen, einfachen Linien jede Menge Eindruck schindet und das Thema Quattro mehr denn je zu visualisieren versucht. Der viel kritisierte Single Frame Kühlergrill ist allen Unkenrufen zum Trotz als Markengesicht mächtiger denn je und deckt so fast drei Viertel der Front ab, während sich die Scheinwerfer dreidimensional schmal zur Seite ziehen. Die C-Säule läuft ähnlich wie beim aktuellen E-Klasse-Modell weit Richtung Heck aus während zwei Linien der muskulösen Flanke Kontur über den Radläufen geben. Er rollt auf mächtigen 22-Zöllern. "Audi ist in den vergangenen Jahren verwechselbar geworden", räumt Marc Lichte ein, während er seinen Zeichenblock aus der Tasche holt und mit Bleistift ein Proportionsmodell auf eine der letzten Seiten kritzelt, "das wird zukünftig nicht mehr passieren. Jede Modellreihe soll einfach zu erkennen sein." Eine echte Herausforderung, wenn ein Kühlergrill alles andere in den Schatten stellt.


Für die Kunden heißt es erst einmal warten, denn bis 2016 wird von dem neuen Audi-Design nicht viel zu sehen sein. Premiere ist mit dem Audi A8. Bleibt abzuwarten, wie der neue Audi Q7, der auf der Detroit Motor Show im Januar 2015 seine Premiere feiert, bei Publikum und Kunden ankommt. Noch wichtiger dürfte im Sommer dann der nächste Audi A4 werden, an den sich 2016 der A5 als Coupé und Cabrio anschließen. Und dann ist es ja auch schon Zeit für den neuen Audi A8.

 

 

 

Autor: Stefan Grundhoff  Stand: 15.11.2014
Fotos: press-inform / Audi